Dienstag, 1. Dezember 2009

ECTS (European Credit Transfer System)

Heute mal was neues zu einem weiteren Problem der BAMA-Reform, die Umstellung von Lehrzeit  auf Lernzeit. Ein ECTS-Punkt bedeutet ja 30 Stunden "Lernzeit" eines "durchschnittlichen" Studenten. (ECTS Seite, siehe "key features" oder auf Deutsch in pdf)

Zitat: "60 ECTS-Credits werden für den Arbeitsaufwand eines Jahres formalen Vollzeitlernens (akademisches Jahr) der zugehörigen Lernergebnisse vergeben. Meistens beträgt der Arbeitsaufwand der Studierenden in einem akademischen Jahr 1 500 bis 1 800 Stunden, so dass ein Credit 25 bis 30 Arbeitsstunden entspricht.
... ECTS-Credits werden sowohl für den gesamte Qualifikationserwerb bzw. einen Studiengang als auch für einzelne Lernkomponenten vergeben (beispielsweise Module, Lehrveranstaltungen, Dissertation, Praktika und Laborarbeit). Die Anzahl der Credits jeder Komponente bezieht sich auf den Arbeitsaufwand, den Studierende in einem formalen Lernkontext aufwenden müssen, um die Lernergebnisse zu erreichen. "


1) Das Gesetz hat unsere Parlamente passiert, wahrscheinlich, weil kein Politiker die ECTS-Definition gelesen hat, und die HRK und die Professoren nicht richtig wussten, was sie taten.
Gepennt haben eigentlich  alle.

Im Ernst: es ist kein Wunder, dass die deutschen Profs dazu nichts sagen konnten, denn keiner
weiss, was es heisst, Studentenzeit als Bewertungsgrundlade zu nehmen. Ausser solchen, die in Schweden waren... In Schweden ist nämlich die Uni "dienstleistungsorientiert", d.h. der Professor ist ein Dienstleister, der dem Studenten in 30 Stunden einen Dienst zu erbringen hat, nämlich einen ECTS-Punkt. :-)  In Schweden kamen die Studenten zu mir und sagten: "Aßmann, du hast diesen Kurs falsch geplant, denn ich habe für meinen Punkt schon 40 Stunden gelernt - und ich bin als durchschnittlicher Student nur verpflichtet, 30 Stunden meines Lebens mit Deiner Dienstleistung zu verbringen." (Während ich vergeblich argumentierte, das die gewünschten Lernergebnisse alle industrielle relevant seien und sehr wichtig ...)  In Zukunft werden die Studenten in Deutschland auch so handeln. Die "Umorientierung in den Köpfen" wird sehr schnell laufen.

(by the way, das englische Parlament hat die Übernahme von ECTS in 2008 verweigert.... Ist das nicht lustig?!)

2) Ausserdem war ECTS eigentlich in den 90gern gedacht als "transfer system", d.h. als ein minimaler Kompromiss, um Leistungen von einem Notensystem in das andere zu "portieren". Ok, für so einen Zweck braucht man es vielleicht, aber dann hat man in der BAMA-Konzeption vergessen, ein besseres, d.h. ergebnisorientiertes Schema zu finden; man war zu faul zu denken und hat einfach ECTS zu einem "European Credit System (ECS)" verabsolutiert. Ausser in England...

3) Hinter dem Paradigmenwechsel steht die Umstellung von Ergebnisorientierung (oder Lehrzeitorientierung) auf Lernzeit-, d.h. Aufwandsorientierung.  Während alle von der PISA-Studie schwärmen, in der Ergebnisorientierung für die Schulen gefordert wurde, werden die Unis von der Ergebnisorientierung weg umgestellt auf Aufwandsorientierung. Das verstehe mal einer.

(Sollte man vielleicht mal eine Uni-PISA-Show am Samstag abend im Fernsehen bringen? Mit ECTS-Studenten? das ist eigentlich ein Widerspruch in sich..)

4) Die Umstellung von Ergebnisorientierung auf Lernzeitorientierung ist imho ist der Untergang der abendländischen Akademie.

5) Lieber Student, der du das liest, bitte, bevor du einen Kommentar schreibst, überlege einen Moment. Woran bist du wirklich interessiert?  An deiner Aufwandsreduzierung für dein Studium, an deiner Aufwandsoptimierung fürs Lernen oder an deiner Ergebnisoptimierung?

Universität heißt "Lernen zu lernen", d.h. seinen eigenen Aufwand fürs Lernen zu reduzieren und zu lernen, schnell viel das Wesentliche zu lernen.  Wer nicht optimiertes Lernen lernt, scheitert später.  Aber das ist ja mit ECTS nicht zu messen: was heisst hier schon "durchschnittlicher Arbeitsaufwand"?  Alleine diese Formulierung widerspricht dem universitären Gedanken zutiefst.

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